„Schicksalssinnfonie“ – ein Stück, zwei Inszenierungen

Wie in jedem Jahr stellte die Aufführung der Kurse „Darstellendes Spiel“ des Jahrgangs 12 den Höhepunkt der schulinternen Theatersaison des LMG dar. Dieses Mal waren 38 Schülerinnen und Schüler dabei, die in zwei Gruppen unter der Leitung von Christiane Hahn und Theresa Sperling das Stück „Die Stunde da wir noch nichts voneinander wussten“ von Peter Handke getrennt und auch gemeinsam auf die Bühnen brachten.

Im Mittelpunkt beider Varianten stand die Frage, ob das Leben jedes einzelnen das Ergebnis aneinandergereihter Zufälle darstellt oder schicksalsbedingt ist. Eine Frage, die sich sicherlich jeder Mensch im Laufe seines Lebens stellt, die aber besonders Heranwachsende in der Adoleszenz bewegt. Insofern war bereits die Auswahl des Stücks ein gelungener Ansatz der beiden Pädagoginnen, denen es auf diese Weise gelungen ist, ihre Darsteller jeder für sich über diese existenziellen Fragen zum Nachdenken zu bewegen und sich ebenso auf einen kreativen Prozess gemeinsamen Miteinanders anzuregen. Das Ergebnis war zwei sehenswerte Stücke, die mit einer kurzen Pause hintereinander auf die Bühne gebracht wurden.

Die Inszenierung von Christiane Hahn kam werkgetreu mit wenig Text aus. Die Schauspielerinnen und Schüler – alle ganz in Schwarz gekleidet – überzeugten daher umso mehr durch eine tiefgründige Körpersprache. Als Leitmotiv diente der „Zug des Lebens“, der an den Stationen „Zufall“, „Zukunft“ und „Angst“ hielt. Zwischen diesen unterschiedlichen Haltepunkten trafen anonyme Menschen in der Regel kalt, ohne Mitgefühl und teilweise sogar gewalttätig aufeinander. Höhepunkt dieses empathielosen Nebeneinanders war eine rein pantomimisch und in Zeitlupe aufgeführte Szene, die einen Kampf jeder gegen jeden darstellte. Am Ende blieb diese Auseinandersetzung ohne Sieger. Anders als diese Szene blieben andere rätselhaft und lösten beim Publikum nachdenkliche Ratlosigkeit aus – sicherlich nicht ungewollt angesichts so mancher Mirakel, die das Leben für jeden bereithält.

Bei der zweiten Inszenierung von Theresa Sperling wurde deutlich mehr gesprochen, wobei sowohl die Sprechweise als auch die Inhalte der Texte unmittelbar an den Duktus griechischer Tragödien erinnerte. Dies unterstrich auch die weiße Kleidung der Darsteller. Auch in diesem Stück dominierten die Themen „Schicksal“ und „Zufall“ die Handlung, die u.a. anderem die Vereinsamung des einzelnen in Gemeinschaften darstellte, aber auch Identitätsfragen. In teilweise sehr persönlichen Statements formulierten einzelne Schauspieler ihre Gedanken über identitätsstiftende Faktoren wie „Krankheit“, „Haut“ oder „Geschlecht“, um am Ende der Sentenzen immer wieder zu dem Schluss zu kommen, dass ihre Identität nicht nur von einem Aspekt geprägt wird. Durch die beindruckende Klarheit und Harmonie von Wort, Gestik, Mimik und nicht zuletzt Stimmführung wirkten die Aussagen überaus authentisch.

Gratulation an die Pädagoginnen für den Mut dieses Stück auszuwählen und auch an die Darsteller für nicht weniger Mut sich diesen schwierigen Themen mit Herz und Verstand zu öffnen.

Fotos: Helmut Treustedt und Text: Godula Süßmann