Aschermittwochsgottesdienst vom 13. Februar 2013

Aschermittwochsgottesdient: Interview
Im Gottesdienst heute wollen wir uns mit dem Thema „Mobbing“ beschäftigen. Wir sehen dazu zu Beginn einen Filmausschnitt.

 

A: Warum gibt es Mobbing?

 

B: Wie wir in dem Film gerade gesehen haben, ist Mobbing ein weit verbreitetes Phänomen. Man hört immer wieder neue Geschichten, ob in der Zeitung, in der Schule oder im Internet. Beim Mobbing sucht sich jemand eine Person als Zielscheibe aus, um an ihr seine Frustrationen, Ängste und Aggressionen abzuarbeiten und um sich Respekt in einer Gruppe zu verschaffen. Oft unterstützen Mitläuf er diese Aktionen, aus Angst selbst gemobbt oder ausgeschlossen zu werden. In manchen Fällen wollen sie auch einfach nur cool dastehen. Der Gemobbte wird isoliert und es ist für ihn kaum möglich, sich alleine zu wehren. Die Folgen des Mobbings werden für alle Beteiligten, besonders aber für den Gemobbten erst später bewusst. Sie reichen von psychischen Problemen bis hin zum Selbstmord im schlimmsten Fall.

 

A: Was meinst du, was man gegen Mobbing unternehmen kann?

 

B: Ich denke, als erstes sollte man natürlich nicht selbst aktiv mitmachen. Gleichzeitig sollte man aber auch nicht wegsehen, auch wenn es leichter gesagt ist als getan. Es ist wichtig das Opfer zu unterstützen, das erfordert Mut und Selbstbewusstsein. Und man sollte unbedingt Eltern und Lehrer einschalten, wenn die Probleme zu groß erscheinen.

 

A: Und warum bringt ihr das Thema in den Gottesdienst?

 

B: Wir wollen schauen, welche Impulse Jesus uns in seinem Umgang mit dem Menschen gibt. (Predigt)

 

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Andacht anlässlich des Aschermittwochs-Gottesdienstes 2013 am LMG
Joh 8,1-11
Liebe Leute!
Was ist los mit dem Menschen. Was ist los mit uns. Wie kann es dazu kommen, dass Menschen so mit anderen umgehen. Erniedrigen, bespucken, treten, - immer weiter und immer weiter - ärgern, reizen, real oder sinnbildlich in den Dreck stoßen, Spaß daran finden, dass andere gequält werden. Da reicht´s nicht, dass einer schon am Boden liegt – dass jemand schon getroffen ist. Nein, der Mensch kann weiter machen.

 

Vielleicht ist es der Gottesdienst, dieser Raum und dies Setting, dass uns dies Verhalten besonders widerlich vorkommt. Doch was sollen wir hier beschönigen. Auch das ist der Mensch. Und es wäre falsch zu sagen: Das sind nur diese oder jene. Es ist doch klar: Offensichtlich gehört dies Verhalten zu den Möglichkeiten des Menschen – für den einen weiter weg als für den anderen. Aber es steckt in jedem drin. Wir Menschen haben in uns Abgründe, dunkle Ecken, in denen sich Widerwärtiges versteckt – und ab und zu hochkommt – so dass wir – mit Abstand betrachtet – erschrecken müssen. Kennt ihr das? Wenn nicht: mit ein bisschen Ehrlichkeit sich selbst gegenüber werdet ihr irgendwann auch die Fratze in euch erkennen. Und vielleicht ist es gut, das schon mal gehört zu haben, um vielleicht ein bisschen vorbereitet zu sein.

 

Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Dieser Satz Jesu hat´s in sich. Ich setze von verschiedenen Seiten einige Spots drauf.
Was soll das: „der werfe den ersten Stein“. Offensichtlich kennt Jesus den Mechanismus im Menschen und unter den Menschen. Wenn der erste Stein erst einmal geworfen wurde, wird´s leichter. Wenn der erste angefangen hat, können die anderen mit einsteigen. Aber diesen ersten Stein soll möglichst ein anderer werfen. Denn hinter diesem einen können wir uns wunderbar verstecken. Wir haben ja nur mitgemacht. Aber dann ist´s als wenn sich etwas entlädt, was im Menschen aufgestaut ist. Manchmal wird da richtig eine Lawine losgetreten.

 

Sie schleppten eine Frau herbei, die beim Ehebruch ertappt wurde. Sie – das sind in diesem Fall Männer – mehrere Männer, nicht nur einer. Wer hatte angefangen? Wahrscheinlich weiß es keiner. Aber man kann sich gut vorstellen, wie der Zug durch die Strasse immer größer wurde und immer mehr Leute anzog. Da wollen wir mitmachen. Und die Frau, nein, sie ist keine Unschuldige. Ehebruch tut weh. Ehebruch zerstört eine Beziehung, vielleicht sogar eine ganze Familie. Wer eine Ehe bricht, der verletzt. Nein, diese Frau war kein Unschuldslamm.

 

Spätestens jetzt fragt man sich aber nebenbei, wo denn der Mann bleibt, mit dem sie ja offensichtlich zusammen war. Der wird nicht herbeigezerrt. Das hat mit den gesellschaftlichen Umständen jener Zeit zu tun, zeigt aber gerade auch ein schreckliches Verhaltensmuster. Wo etwas schief ist, werden die Schwächsten der Gesellschaft zu Opfern gemacht. Das waren damals die Frauen. Im dritten Reich waren´s die Juden, Sinti, Roma und die Behinderten. Heute sind es all diejenigen, die irgendwie anders sind, die nicht in die Norm passen, die auffallen und darin ziemlich allein dastehen. Wir haben den Blick dafür, wer Opfer sein oder werden könnte. Aber warum machen wir sie dann so oft auch tatsächlich zu Opfern? Warum kann man Leute, die anders sind nicht einfach in Ruhe lassen. Oder – auch wenn ein klares Fehlverhalten und Schuld eine Rolle spielen: Warum muss man Menschen, die offensichtlich Fehler gemacht haben, in einer solchen gnadenlosen Weise behandeln?
Woher diese Wut, die man braucht, um einen Menschen zu steinigen? Woher kommt es, dass wir Menschen erniedrigen, schlagen und mit Worten oder Taten niedermachen?
Ich möchte in Anlehnung an die biblische Geschichte eine psychologische Erklärung bieten. Ich hoffe, ihr könnt das nachvollziehen. Nach dieser Erklärung sind es oft die eigenen sorgsam versteckten dunklen Ecken, die dazu führen, dass wir gegenüber anderen mies handeln.
Konkret in dieser Geschichte: Die Männer, die diese Frau herbeizerrten, haben selbst immer wieder damit zu kämpfen, dass sie anderen Frauen nachschauen und sie am liebsten ins Bett bekommen. (Die jungen Männer unter uns können mal darüber nachdenken, wie realistisch das ist. Bei den jungen Frauen kenn ich mich nicht so genau aus.) Aber diese Männer wissen, dass durch so ein Verhalten ihre bestehende Beziehung und evt. ihre Familie zerstört werden, dass es verboten ist und nicht sein darf. Sie unterdrücken also diesen Trieb. Dieser Druck staut sich an und muss irgendwann raus. Da ist so eine Ehebrecherin ein willkommenes Opfer. Sie hat´s getan, was ich doch so mühevoll runterdrücke. Also drauf. Heute ist im Sexualbereich vieles anders. Wir haben eher andere Bereiche. Nicht alle Bereiche gelten für jeden – da sind Menschen unterschiedlich. Beispiele: Weil ich die Schwäche in mir hasse, trete ich denjenigen, der in den Augen der anderen als Schwächling dasteht. Weil ich panische Angst davor habe, nicht anerkannt zu werden, schmeiß ich mich auf den, der in der Gruppe am Rand steht. Weil ich es nicht ertragen könnte, dass die anderen mich hässlich finden, ziehe ich über den Moppel aus der Parallelklasse her. Usw – die Liste ist leicht zu ergänzen.

 

Jemand, der in sich selbst ruht, der sich selbst akzeptiert, wird nicht so reagieren. Der hat das nicht nötig.

 

Die Gewalt, der Hass gegen andere ist oft ein Spiegelbild meiner eigenen Schwäche, meiner Scham und zeigt, viel mehr davon, wie der Täter in sich aussieht als dass hier etwas vom Opfer deutlich wird.
Mit dem Satz „Wer von euch ohne Sünde ist“ macht Jesus den Menschen klar, was in ihnen gerade vorgeht. Und sie haben´s damals offensichtlich verstanden.

 

Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.

 

Das ist keine Aufforderung zu werfen. Nein, Jesus will sie schützen. Diese Frau, die kein Unschuldslamm ist, soll leben.
Und der Weg, über den er sein Ziel erreicht ist diese Erinnerung Jesu an die Abgründe in jedem Menschen. Die Angst vor der Schwäche, vor der Scham, davor, schlecht dazustehen. Unsere eigenen Fehler, Unvollkommenheiten, Schwächen.
Was wäre das ein enormer Fortschritt, wenn jeder Mensch erstmal nichts anderes täte als ehrlich mit sich selbst zu sein. Im NT lesen wir die Aufforderung: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Und wir wissen: Liebe ist nur dann Liebe, wenn sie auch die Schwächen des anderen erträgt, sie aushält. Und genau das gilt auch für mich selbst. (Du sollst deinen Nächsten lieben, so wie du auch dich selbst lieben sollst.) Mich selbst zu lieben heißt nicht: mich immer toll zu finden. Mich selbst zu lieben heißt – mich eben auch mit meinen Schwächen lieben. Das heißt nicht: die Schwächen und Fehler gut finden – aber sie anerkennen als Teil deines Lebens, deines Selbst – und zu erkennen, dass Gott/Jesus dich – wie schon die Ehebrecherin – mit deiner Schwäche schützen will.
Was wir lernen würden, wäre Barmherzigkeit – Erbarmen – Mitleid – vielleicht sogar Liebe. Das ist die Revolution des menschlichen Zusammenlebens.
Uns nicht besser reden als wir sind – sondern uns anerkennen als Sünder (und das, weil Gott das auch tut!)

 

„Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Das ist ironisch gemeint. Jesus möchte diese Frau schützen. Und darum kann man diesen Satz also auch umdrehen: Wer weiß, dass er selbst Schwächen, Fehler, Scham, Schuld hat, der kann Barmherzigkeit zeigen und soll das auch tun.
Und es ist durchaus denkbar, dass auch das eine Lawine lostritt – eine positive Lawine – eine Lawine der Barmherzigkeit. Denn auch das steckt im Menschen drin. Jesus hat einen Anfang gemacht. Und nach ihm/mit ihm viele andere mehr. Hinten in der Kirche seht ihr eine Ausstellung. Wer´s jetzt nicht schafft, hat in den nächsten Tagen noch Zeit. Die Kirche ist tagsüber geöffnet.

 

Wer weiß, dass er selbst Schwächen, Fehler, Scham, Schuld hat, der zeige als erstes Barmherzigkeit.
Amen

 

 

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