Bei der diesjährigen Entlassfeier für 71 Abiturient*innen am Lise Meitner Gymnasium Neuenhaus gab es viele rekordverdächtige Ergebnisse zu feiern. Schulleiterin Fenni Voshaar verwies auf eine sensationelle Gesamtdurchschnittsnote von 2,17 sowie sage und schreibe 26 Abschlusszeugnisse mit einer 1 vor dem Komma, für sechs Schüler*innen gab es immerhin die Fachhochschulreife. Paula Lücke und Florian Middendorf schossen mit jeweils einer 1,0 den Vogel ab. Vosshaar belobigte aber nicht nur solche schulischen Ausnahmeleistungen, sondern auch jahrelanges ehrenamtliches Engagement einzelner Schüler*innen etwa als Medien-Scout, im Schulvorstand, im Bereich Darstellendes Spiel und Gesang. Unter Anwesenheit vieler Honoratioren, darunter auch MdL Reinhold Hilbers und der ehemalige Schulleiter Gerhard Herrenbrück, dankte sie der Lehrerschaft, weiterem Schulpersonal und vor allem den Eltern für ihre andauernde tatkräftige Unterstützung.
In Anlehnung an Goethes Rat, stets an der Gegenwart festzuhalten und sie als Repräsentanten der Ewigkeit zu verstehen, lud sie die Abiturient*innen ein, diesen Moment des Schulabgangs wahrzunehmen als eine Chance zur Neuorientierung, als Einladung zu Selbsterkundung und Selbstbestimmung auf der Suche nach dem passenden zukünftigen Lebensentwurf.
Mit Bezug auf Luciano de Crescenzos Vergleich des sehr auf die Privatsphäre bedachten Briten mit den quirligen Neapolitanern, deren Leben extrem eng vernetzt seien – zum Beispiel durch deren Wohnungen verbindende Wäscheleinen -, solle man sich nach Wegfall des Korsetts des Schulalltags in Ruhe darauf besinnen, einen neuen Lebensstil im Spannungsfeld von engen persönlichen Beziehungen und dem Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit zu entwickeln.
Sie ermunterte dazu, wagemutig und experimentierfreudig zu sein, Fernweh zu entwickeln, das eigene vertraute Umfeld einmal zu verlassen und den Lebensradius in fernere Regionen, Länder und Welten zu erweitern. Die Tore der Welt stehe den Jungen und Mädchen dafür nun lange Zeit offen.
Wichtig sei auch, wirklich eigenständiges Denken zu entwickeln, Propaganda und Gruppenzwängen misstrauen zu lernen. Letztlich, ein weiteres Bonmot von Luciano de Crescenzo bemühend, müsse man sich als Mensch aber als ein Engel mit nur einem Flügel begreifen, der andere umarmen müsse, um fliegen zu können.
Beeindruckt von der Brillanz der musikalischen Vorträge gratulierte auch Landrat Uwe Fietzek der Abiturientia. Er betonte die Eigenverantwortung der Schulen bei der wichtigen Aufgabe, in der Schülerschaft individuelle Potenziale zu entdecken und zu fördern, bekannte sich aber auch zur Verpflichtung des Landkreises, Baumaßnahmen wie den anstehenden Ersatz des C-Gebäudes zu finanzieren. Des Weiteren verwies Fietzek auf die Chancen eines dualen Studiums und den zunehmenden Trend, statt Studium eine Berufsausbildung zu beginnen. Angesichts des kriegerischen Konflikts in der Ukraine appellierte er an die Verantwortung jedes Einzelnen, sich für eine friedlichere, gerechtere Welt einzusetzen.
In seiner Elternrede ermutigte auch Albert Weersmann die Jugend, sich auf Umwege einzulassen und kleine Fehltritte hinzunehmen, aus denen man lernen könne. Mit Nietzsche verwies er darauf, dass Hindernisse und Schwierigkeiten wichtige Stufen für die persönliche Entwicklung darstellen könnten. Zumindest mit ihrer Technologie-Affinität sei die gegenwärtige Jugend aber bestens gerüstet, die heutigen Probleme anzupacken, für ihn stünde hinter dem Begriff Generation Z die Bedeutung Generation Zukunft.
Für die Schüler ließen Lara Riekhoff und Emma Egbers ihre zu Ende gegangene Schülerlaufbahn Revue passieren. Intensiver als andere Redner gingen sie dabei auf die endlich überstandene Zeit der Corona-bedingten Beschränkungen ein, die das Knüpfen sozialer Kontakte lange erschwert hätten. Aber letztlich habe sich doch ein großartiges Gemeinschaftsgefühl entwickelt, wieder mögliche Skifahrten und Exkursionen nach Berlin und ins Ausland hätten für unvergessliche Momente gesorgt. Außerdem nahmen Sie sich die Zeit, nicht nur ihren Tutoren zu danken, sondern auch vielen einzelnen Lehrkräften, von denen für sie besondere Ermunterung und Inspiration ausging.
In einer humorvoll satirischen Rede, stilecht in biblischem Duktus angelegt, kommentierte Uwe Lins Erfahrungen mit den Schüler*innen seines Physik-Leistungskurses, deren Ehrgeiz erst noch geweckt werden musste, bis sie sein Wohlgefallen verdienen konnten. Er wollte dies aber durchaus auch in einem übertragenen Sinn verstanden wissen, und er lud auch Zuhörenden ein, ihren eigenen Geist stets von Neuem zu „beackern“, um ihn durch ständige Übung licht und weit zu erhalten. Vor den Priestern des rein Praktischen und allzu großer Bequemlichkeit solle man sich aber hüten, wenn die Lebensqualität nicht verflachen soll.
Marcus Pfeifer, 3.7.23