Unter diesem Motto beging der diesjährige Abiturjahrgang des Lise Meitner Gymnasiums Neuenhaus seine Abschlussfeier. In der Tat liegt die Durchschnittsnote in diesem Jahr bei einer achtbaren 2,32, womit aber die Rekordwerte aus den vergangenen Jahren nicht ganz erreicht wurden. Von den 66 Abiturient*innen gelang es sage und schreiben einem Drittel, sich eine 1 vor dem Komma zu erarbeiten, Loreen Egbers mit einer 1,1 und Marina Fichtner mit einer glatten 1,0 schossen dabei den Vogel ab. Mit ein wenig Sorge wies Voshaar darauf hin, dass von diesen 66 Abiturient*innen nur 17 dem männlichen Geschlecht zuzurechnen sind – dies sei ein bundesweiter Trend.
Die Wahl des Mottos wertete sie als Ausdruck eines wohl der Jugend geschuldeten, verzeihlichen Übermuts. Viele der Abiturient*innen hätten offenbar durchaus im Laufe ihrer Oberstufenjahre bemerkt, dass man mit ein wenig Fleiß und Engagement oftmals viel mehr erreichen könne als man sich jemals vorher zugetraut hatte. In Anwesenheit auch des Herrn MdB Albert Stegemann dankte Frau Voshaar Eltern und Kollegen herzlich für deren intensives Engagement, das ein wesentliches Fundament für den Erfolg der Schulabgänger*innen dargestellt habe.
Erstmals ergab sich die Chance in der seit 1967 bestehenden Schule, Mitglieder eines Goldenes Abitur-Jahrgangs zu begrüßen. Voshaar erinnerte kurz an das, was 1974 in den Köpfen der damaligen Zeitgenossen rumorte: die Ölkrise, gepaart mit einer Wirtschaftskrise, der Rücktritt des US-Präsidenten Richard Nixons im Kontext der Watergate-Abhöraffäre, aber auch den Eurovisionssieg von ABBA mit dem Popklassiker „Waterloo“, an den WM-Titel der deutschen Fußballer, die es aber demonstrativ unterlassen hatten, die Nationalhymne mitzusingen, wie Voshaar betonte.
Nicht zuletzt wies Voshaar aber auch auf den Slogan „Mehr Demokratie wagen!“ des damals amtierenden Bundeskanzlers Willy Brandt hin, der sich zudem wirksam für mehr Chancengleichheit im Bildungswesen eingesetzt habe. Voshaar bezeichnte Bildung als wesentliche Voraussetzung für demokratische Teilhabe, gerade auch in der Gegenwart.
In einer sich oftmals zunehmend aggressiver gebärdenden öffentlichen Diskussion verwies Voshaar optimistisch auf Studien, die bewiesen, dass sich in der Realität Menschen oft wesentlich solidarischer verhalten als man sich das generell mehrheitlich einbildet. In Anlehnung an den deutschen Publizisten Ulrich Schnabel empfahl Voshaar den Anwesenden, sich die Mammutbäume zum Vorbild zu nehmen: Sie seien zwar Flachwurzler, durch die feste Verknotung ihres immens weit ausgreifenden Wurzelwerks gelinge es ihnen aber offenbar, die Jahrhunderte stabil zu überstehen.
Als Vertreter jenes Goldenen Abiturientenjahrgangs grüßte Geert Nyhoff die Runde, der schon 1974 deren Klassensprecher gewesen war. Dass das Schuleschwänzen 1974 schon große Mode gewesen sei, bestritt Nyhoff vehemnt, und er glänzte seinerseits mit heute allerdings ggf. anachronistisch wirkenden lateinischen Sprichwörtern wie „tempus fugit“ – wie die Zeit doch vergeht!
Dem aktuellen Zeitgeschmack deutlich mehr entsprechend waren einige Zitate von Größen des deutschen Fußballs. Entsprechend der Empfehlung Frau Voshaars zu solidarischem Miteinander auch im späteren Leben erinnerte er an Lukas Podolskis wichtigen Hinweis: „Doppelpass alleine? Kannste vergessen!“. Beim Wechsel eines Vereins soll Podolski auf die Frage, ob er denn nun weinenden oder lachenden Auges seinen aktuellen Verein verlasse, gesagt haben: „Eigentlich beides!“ Noch ernsthafter war wohl der eher an die Lehrer gerichtete Hinweis auf die Erfahrung des Bruders des aktuellen Verteidigungsministers Harald Pistorius als Fußballtrainer. Pistorius vertrete die Auffassung, Fachkompetenz sei schön und gut, aber sei erhalte im Bildungsbereich erst ihren Wert, wenn sie sich mit echter undwirksamer Empathie für die Lernenden verbinde.
Landrat Trüün prophezeite der Abiturientia in seiner Grußbotschaft, schon bald werden die Schulabgänger*innen den Alltagstrott ihres mal geliebten, mal gehassten Schulalltags vermissen, verwies aber auch auf das befreiende Gefühl, das wohl mit dem Erhalt des Abiturzeugnisses verbunden sein muss. Trüün äußerte Zweifel an der Gültigkeit des Abi-Mottos für alle – angesichts der guten Ergebnisse, stellte aber auch die Frage unbeantwortet in den Raum, ob die Abituraufgaben unter Umständen früher anspruchsvoller gewesen seien. Des Weiteren verwies er auf das finanzielle Engagement des Landkreises insbesondere bei der aktuellen Finanzierung des Erweiterungsbaus.
Als Vertreter der Elternschaft fasste Harald Klokkers seine Erlebnisse bei der Begleitung ihrer Schützlinge zusammen, indem er noch einmal an die vorher nicht gekannten Belastungen erinnerte, die aus der Corona-Epidemie erwachsen seien.
Thilo Schipper und Jordy Schipper gaben für die Schülerschaft zu, dass Computerspiele wie Clash of Clans oftmals eine größere Relevanz in ihrem Schulalltag gespielt hätten als der zu bewältigende Lernstoff. Die Devise vieler Schüler*innen: Immer höflich lächeln und dem Lehrer zustimmen, hinterher alles vergessen. So sei es kein Wunder gewesen, dass einige Vorabitur-Klausuren 7 Notenpunkte schlechter ausfielen als die Klausuren zuvor. Schließlich habe man sich aber auch doch intensiv mit dem Projekt der Facharbeiten auseinandergesetzt und sich oftmals erfolgreich Sekundärtugenden wie Ausdauer, Disziplin und effektives Zeitmanagement angeeignet.
Fröhlich munterte Frau Ardali die Schulabgänger*innen dazu auf, der Welt ihre Talente zu zeigen und den genuin eigenen Weg zu finden. Nur wenn man das Gefühl habe, sich hoffnungslos im Dschungel verirrt zu haben, solle man sicherheitshalber wieder ausgetretenen Wegen folgen. Sie regte alle an, jeder für sich in seiner Weise die Welt zu erobern, empfahl aber auch, jeden Morgen sein Bett zu machen, wer groß hinauswill, solle zunächst auch im Kleinen zeigen, dass er oder sie sich ggf. später auch im Großen bewähren könne.
Marcus Pfeifer, 26.6.24