Dr. Markus Roth spricht am Lise-Meitner-Gymnasium über den deutschen Überfall auf Polen
Im Forum des Lise-Meitner-Gymnasiums fand eine besondere Veranstaltung statt: Dr. Markus Roth, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fritz-Bauer-Institut, hielt einen eindrucksvollen Vortrag über den deutschen Überfall auf Polen im September 1939 und die Anfänge der deutschen Besatzungsherrschaft. Roth ist in Neuenhaus aufgewachsen und hat am LMG sein Abitur abgelegt, bevor an der Universität Münster Germanistik, Polonistik, Neuere und Neueste Geschichte studiert hat.
Eingeladen waren alle zehnten Klassen sowie die interessierte Öffentlichkeit. Organisiert wurde die Veranstaltung von Christa Pfeiffer vom Gedenkhaus Günter Frank in Neuenhaus. Rund 160 Gäste nahmen teil, darunter auch Lehrkräfte des Gymnasiums und die Schulleiterin Fenni Voshaar.
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Ein Einstieg über Einzelschicksale
Dr. Roth eröffnete seinen Vortrag mit dem Schicksal einer 15-jährigen Polin, an deren Beispiel er die historischen Geschehnisse greifbar machte. Bereits dieser Einstieg zeigte die besondere Stärke des Vortrags: Mit Fotos, Zitaten und gut ausgewähltem Quellenmaterial gelang es dem Referenten, die Dimensionen des historischen Ereignisses anschaulich und zugleich empathisch darzustellen.
Der Überfall auf Polen: Ein Krieg ohne Erklärung
Im Mittelpunkt stand der deutsche Überfall auf Polen, der vor 86 Jahren ohne jede Kriegserklärung erfolgte und damit völkerrechtlich klar unrechtmäßig war. Die Wehrmacht marschierte am 1. September 1939 in Polen ein und besetzte innerhalb weniger Tage große Teile des Landes. Zwar bestand in der polnischen Bevölkerung anfangs die Hoffnung auf erfolgreichen Widerstand, doch diese zerschlug sich rasch, da Regierung und Verwaltung unter dem Angriff zusammenbrachen.
Besatzungsherrschaft: Brutalität und Vernichtungspolitik
Im weiteren Verlauf schilderte Dr. Roth die Maßnahmen der deutschen Besatzungsbehörden, die mit großer Härte und Brutalität gegen die polnische Bevölkerung vorgingen. Besonders betroffen waren jüdische Bürgerinnen und Bürger sowie die intellektuelle Elite Polens. Ziel war nicht, die Menschen zu „germanisieren“, sondern sie systematisch zu vernichten.
Besonders erschreckend – und von Dr. Roth eindrücklich hervorgehoben – war, dass diese Brutalität keineswegs nur von fanatischen Nationalsozialisten ausging. Viele ganz normale Beamte und Mitarbeiter deutscher Behörden, die nach Polen versetzt worden waren oder sich freiwillig dorthin versetzen ließen, ließen jegliche Menschlichkeit vermissen. Unter dem Druck der Kameradschaft, dem Einfluss der vor Ort agierenden Männer oder auch durch übermäßigen Alkoholgenuss trugen sie zu einem Klima bei, in dem Gewalt, Willkür und Entmenschlichung alltäglich wurden.
Ein Mittel der Besatzungspolitik war zudem die massenhafte Verschleppung von Polen zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich. Dr. Roth machte deutlich, dass auch die Region Grafschaft Bentheim hiervon unmittelbar betroffen war: Kaum ein Hof habe keinen Zwangsarbeiter beschäftigt.
Auch das Schicksal des eingangs erwähnten Mädchens nahm in diesem Teil des Vortrags erneut Raum ein. Nach drei Jahren im Versteck wurde ihr Aufenthaltsort verraten – sie wurde von deutschen Besatzern erschossen.
Polen zwischen zwei Besatzern
Neben der deutschen Besetzung thematisierte Dr. Roth ebenfalls den Einmarsch der Roten Armee. Grundlage dafür war der Hitler-Stalin-Pakt, in dem die Aufteilung Polens im Kriegsfall vereinbart worden war.
Bezüge zur Gegenwart
In der anschließenden Diskussionsrunde ging Dr. Roth auf aktuelle Entwicklungen ein. Am Beispiel der Verfolgung der NSU-Terroristen zeigte er auf, wie tief Vorurteile auch heute noch wirken.
Dr. Roth schloss sein Referat mit einem eindringlichen Appell: Die freiheitliche demokratische Grundordnung sei nicht selbstverständlich – sie müsse geschützt werden, jeden Tag und von allen.
Godula Süßmann, 23.11.2025


